Begonienkuchen! Hierzulande wird man sich verwundern, dass die Basis für diese süße Spezialität, die mir in Shanghai begegnete, aus Bohnenpaste besteht.
Anlässlich einer Reise im November 2010 führte mich meine langjährige Übersetzerin Jingjing in das kleine Städtchen Quibao, rund 18 km vom Stadtzentrum Shanghais entfernt.
Eine Reise in die Vergangenheit! Zwischen malerischen Kanälen, engen Gassen und historischen Gemäuern fühlt man sich um Jahrhunderte zurück in die Song Dynastie versetzt. Unzählige kleine Geschäfte, eine märchenhafte Vielzahl an Leckereien.
Sofort verliebt habe ich mich in den Begonienkuchen. Um seinen Namen und Ursprung ranken sich allerlei Geschichten. So heißt es, dass einstmals eine reiche Familie in Suzhou (in der Nähe von Shanghai) eine Dienerin namens Begonia hatte. Die war dafür zuständig, in der Küche Reste zu verwerten, und hatte irgendwann Bohnen und Mehl vom Backen übrig, ein kleiner, offenbar höchst talentierter Junge hat der Erzählung nach damit experimentiert und soll daraus den nach der Köchin benannten Begonienkuchen kreiert haben.
Gleichzeitig ist die Blüte der Begonie bei den Menschen in Suzhou und dem benachbarten Wuxi sehr beliebt, wie auch Magnolie und Pfingstrose oder Osmanthus. Und der Begonienkuchen ähnelt seiner ursprünglichen Gestalt nach der Begonienblüte.
Gebacken wird er in einer speziellen Form, die mit ihren kreisförmig angeordneten Mulden wiederum der Begonienblüte nachempfunden ist. Die erste und die oberste Schicht bestehen aus einem Mehlteig, das Innere ist mit gesüßter roter Bohnenpaste gefüllt, heiß gegessen ist er besonders gut.
Inzwischen gibt es nur noch wenige Geschäfte, die auf Begonienkuchen spezialisiert sind. Eine der letzten, die der Überlieferung nach diese regionale Köstlichkeit selbst hergestellt und
auf der Straße verkauft haben, war örtlichen Quellen zufolge Tante Chen in der Stadt Loutang, wiederum im Umkreis von Shanghai.
Sie lernte dies Handwerk in den 1990er Jahren, musste es aber aus gesundheitlichen Gründen inzwischen aufgeben. Sie berichtet, dass sie allmorgendlich um drei oder vier Uhr mit den Vorbereitungen begann, auch die Bohnenfüllung hat sie selbst gefertigt. Aufwändig!
Die gekochten und zerkleinerten, dann pürierten Bohnen werden anschließend mit einer guten Dosis Schmalz und Zucker erhitzt. Ebenso aufwendig gestaltet sich, so Tante Chen, die Herstellung des Teigs aus Mehl und Wasser, je nachdem auch etwas Öl sowie Triebmittel.
Am Ende wird der fertige Teig in spezielle, vorher mit Öl eingepinselte und auf dem Herd erhitzte gusseiserne Formen gefüllt, nach einer Weile (Gefühl!) gibt man die Bohnenpaste hinein und bedeckt das Ganze erneut mit Teig, noch eine Portion Schmalz obendrauf kann auch nicht schaden.
Bis die Form komplett gefüllt und geschichtet ist, braucht es seine Zeit. Während der mit Zucker bestreute Kuchen auf der heißen Herdplatte bäckt und allmählich seinen verlockenden Duft entfaltet, stehen schon allerlei Zutaten für den Abschluss bereit.
Nach Lust und Laune wird der Begonienkuchen mit verschiedenen Toppings wie Sesamsaat, Sonnenblumenkernen oder Erdnüssen bestreut.
Die fertigen Küchlein werden nun in der Ladentheke angeboten und müssen, wie man sich denken kann, nicht lange auf hungrige Leckermäuler warten!
Alternativ lässt sich der Begonienkuchen auch etwas anders zubereiten, gesehen ein paar Straßen weiter: Statt 13 nur 7, dafür flachere Mulden für die Backform. Im Grunde das gleiche Verfahren, nur dass die noch heißen Kuchen am Ende kopfüber in inzwischen auf der Eisenform geschmolzenes Zuckerkaramell getunkt werden.
Ergebnis: Der Kuchen glänzt wunderbar goldfarben und ist, obendrein verziert mit den üblichen Toppings, herrlich knusprig.
Mit typisch chinesischen lyrischen Worten: Der Geschmack des Glücks!